Turkmenistan: Wagnis ins Wüstenregime. Expedition Zentralasien Teil 3 – ein Tagebuch.

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In dieser Reihe, die wir euch fortlaufend präsentieren, geht es um unser Reisetagebuch einer Expedition, die unsere Leute mit Motorrad und Zelt von Norddeutschland über den Balkan, durch die Türkei bis zum ersten Zwischenziel, dem Iran, führte. Unsere Reise führte uns allerdings viel weiter durch Zentralasien: es folgen Beiträge bis Sibirien. Die Beiträge sind in einer Tagebuchform geschrieben und beinhalten zusätzlich allgemeine Reiseinformationen und recherchierte Hintergründe für eure Reiseplanung.

 

Mohnblumenfeld Pavot rouge red Poppy Mohn2 Turkmenistan

  • Turkmenistan im Mai: endlose Mohnblumenfelder nach Regenfällen

Lest hier Teil 2: Irans heiligste Stadt Maschhad

Zuvor aus Teil 2 

„[…] wir sind froh doch schon in Turkmenistan gewesen zu sein – ein isoliertes Land voller Geheimnisse, die uns dort teils zum Verhängnis werden …“

… auf der Weiterfahrt durch die Wüste Karakum. Wie reist man in einem Land, das nur 2 Plätze vor Nordkorea (letzter Platz) auf der internationalen Rangliste der Pressefreiheit von 2017 steht? Vieles, inklusive Zeitungen aus dem Ausland und Satellitenschüsseln, ist verboten. Während Saudi-Arabien 2018 das Autofahren für Frauen durch seine Reformen endlich erlaubt hat, hat Turkmenistan dies seit 2018 per Gesetz  explizit verboten. Somit ist es aktuell das einzige Land der Welt mit solch einem Fahrverbot. Diktatorische Züge des allgegenwärtigen Staates spiegeln sich auch in der Architektur wider: vergoldete Statuen des „Großen Führers“ Türkmenbaşy bzw. von Saparmyrat Nyýazow sind unausweichlich. Selbst der höchste Berg des Landes, der Aýrybaba mit 3139 m Höhe an der usbekischen Grenze, wurde ihm zuliebe im Jahr 2004 offiziell umbenannt in ‚Beýik Saparmyrat Türkmenbaşy belentligi‘. Durch große Erdgasvorkommen ist der Staat unter ihm zum Reichtum gekommen. Heutzutage ist allerdings Berdimuhamedow der Präsident des Landes. Aktuell wurde wieder über das verschlossene Land aufgrund der neuen Aufteilung des Kaspischen Meeres berichtet. Man sollte hier vorbereitet sein: polizeiliche Kontrollen mitten im Nirgendwo in der Wüste sind an der Tagesordnung.

  • Video: rund um die Hauptstadt Ashgabat

Das Visum für den streng kontrollierten Transit durch das Land gilt für fünf Tage. Unsere Leute gehörten zu den 15.000 weltweiten Besuchern, die überhaupt jährlich in das Land gelassen werden. Zunächst fahren wir unweit der Grenze zum Iran bei Bajgiran mit dem Motrorrad auf die Hauptstadt Turkmenistans zu: Ashgabat.

Zentralasien_ Turkmenistan mit Hauptstadt Ashgabat im Hintergrund von oben - Reiseblog Exploreglobal

Bis wir die Hauptstadt erreichen, durchfahren wir teils grüne Berge. Links und rechts des Gaudan Highways, der die iranische Grenze mit Ashgabat verbindet, werden die Berge bis zu ca. 2200 m hoch. Von den weniger hohen Stellen können wir das Geschehen in der Hauptstadt von weitem aus gut verfolgen.

Eine Stadt aus weißem Mamor ragt in der Wüste hervor: Ashgabat

Tor Gateway Einfahrt Entrance Ashgabat Desert Wüste Karakum Turkmenistan Merw Mary Turkmenabad

  • das Marmor-Tor am südlichen Eingang von Ashgabat

Durch ein beeindruckendes Tor aus weißem Mamor gelangen wir vom Iran aus, der nur 40 km südlich liegt, auf einer breiten Hauptstraße ins Zentrum. Was ist außer seiner Symbolkraft das Brandenburger Tor dagegen?

Strasse Street Road Town City Stadt Mamor white marble Ashgabat Desert Wüste Karakum Turkmenistan Merw Mary Turkmenabad

Alles wie neu aus dem Wüstenboden gestampft: beeindruckende Paläste, moderne Wohnhäuser, groß angelegte Monumente und Statuen aus weißem Mamor. Und vor allem Gold. Das ist Ashgabat. Hier kommt sowjetischer Baustil mit Orientalischem zusammen. Alles nach gewissen Idealen erbaut, fühlt man sich als wäre man in einer Art Metropolis.

Auf der Transitstrecke bis nach Mary – Drehkreuz an der Seidenstraße

Bei der Durcheise hier Anfang Mai kommen schon höhere Temperaturen auf. Abends schlagen wir unsere Zelte am Straßenrand im Gebüsch auf.

Wüste Turkmenistan

  • die Wüste Karakum – teils bewachsen

Wir waren schon am Schlafen als plötzlich das ganze Zelt wackelte. Was war das? Draußen scheint irgendwas los zu sein. Doch wir sind mitten in der Wüste, hier ist sonst niemand nachts am Straßenrand. Aber wir hören fremde Stimmen und Getuschel aus dem Gebüsch um uns herum. Unheimlich.

„Passport Control!“

Auf einmal fangen sie an zu schreien. Ein paar englische Wortfetzen könne wir dann erkennen. ‚Passport Control!‘ schallt es auf einmal.  Schnell kramen wir in unseren Sachen nach den Dokumenten und müssen auf dem Zelt, unwissend wer zu erwarten ist. Dort stehen sie dann – ein paar Polizeikräfte, mitten in der Nacht. Ein Glück geben sie sich mit unseren Dokumenten zufrieden.

Am nächsten Morgen soll es schließlich weiter durch die Wüste in Richtung der Stadt Mary gehen, einer geheimnisvollen Gegend.

Die altertümliche Stadt Merw – UNESCO Weltkulturerbe

  • bis 1937 hieß die Stadt Mary noch „Merw“ wie die 30 km entfernte Oasenstadt
  • die ersten Siedler ließen sich hier im 3. Jhd. vor Chr. nieder
  • Metropole und Handelszentrum des Altertums (6 Jhd.) an der Seidenstraße
  • einst lebten mehrere Hunderttausende hier – heutzutage 126.000 in Mary 
  • Nach Eroberung durch Alexander des Großen hieß die Stadt „Antiochia in Margiana
  • im 10. Jhd. exportierte Merw mehr Seide nach Europa als ganz China
  • die Mongolen unter Dschingis Khan richteten verheerende Zerstörung an 
  • das Sultan Sanjar Mausoleum aus dem 12. Jhd. ist noch gut erhalten 

Vor der Gurbanguly Hajji Moschee parken zur Zeit unserer Reise noch Autos verschiedener Art. Doch der Einheitsstaat lässt nach einer Übergangszeit seit 2018 sämtliche Autos, die keine weiße Farbe haben, durch die Polizei stoppen: die einheitlich weiße Farbe für PKWs im Straßenbild ist der Wunsch des Staatspräsidenten Berdimuhamedow – weiß ist nun mal seine Lieblingsfarbe.

Moschee Mosque 2 Desert Wüste Karakum Turkmenistan Ashgabat Merw Mary Turkmenabad

  • Die Gurbanguly Hajji Moschee in Mary 

Achtung: die Einreise ins Land mittels eines Wagens in einer anderen Farbe als weiß wird laut Berichten durch Grenzbeamte willkürlich gestoppt. An diesen Grenzen werden Einheimische ohne zuvor beim Staat eingeholte Genehmigung ebenso  an der Ausreise gehindert. Es herrschen willkürliche Verhältnisse, vergleichbar mit der DDR. Zudem gilt Turkmenistan als einziges Land der Welt, das keine Direktflüge in die umliegenden Nachbarländer hat.

Mary ist eines der wirtschaftlichen Zentren des Landes – die Straßen sind gut und auch hier finden wir wieder Fontänen und Symbole und Figuren aus Gold.

Ashgabat Statuen Turkmenistan

  • auf dem Platz vor der Gurbanguly Hajji Moschee in Mary  

Die Wüste ist mancherorts grün – dank Bewässerungstechnik turkmenischer Art

Der Karakum-Kanal, der die Wüste Turkmenistans vom Fluss Amudarja im Osten bis zum Kaspischen Meer im Westen durchquert, wurde schon zu Zeiten Stalins geplant. Wir sehen hier im trockenen Inneren des Landes, wie essenziell er für das Leben in der Wüste Karakum war.

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Wir beobachten zwischen den Bäumen die einheimischen Bauern. Mit sehr einfachen Eselskarren transportieren sie ihre Agrarerzeugnisse. Bis 2020 läuft ein Modernisierungsprogramm, das die Bewässerunstechnik entlang des Karakum-Kanals fördert.

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Handel mit Afghanistan

Ansonsten gibt es natürlich auch andere Technik, wie lange Güterzüge. Diese stammen häufig noch aus Zeiten, als Turkmenistan der Sowjetunion angehörte als ‚Turkmenische Sozialistische Sowjetrepublik‘. Seit 2016 beliefert Turkmenistan eines seiner Nachbarländer, mit dem es eine lange Grenzlinie teilt, direkt per Zug mit Gütern: Afghanistan.

Video-Vorschau: Afghanistan

Anmerkung

In unserer forlaufenden Reihe werden wir an die Grenze zu Afghanistan gelangen. Eine Einreise war aus verschiedenen Gründen nicht möglich (fehlendes Visum, ausdrückliche Reisewarnung des Auswärtigen Amts) – dennoch konnte am Grenzfluss einiges in den gegenüberliegenden Tälern und Dörfern beobachtet werden. Worte dazu folgen hier bei uns.

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  • Türkmendemirýollary – die staatliche Eisenbahngesellschaft

Die afghanische Stadt Andkhoy soll durch den weiteren Ausbau der Güterbahnstrecke weniger abgeschnitten sein. Dies trägt indirekt auch zu einer weiteren Stärkung der Achse Russland – China bei. Der Handel an der ehemaligen Strecke der Seidenstraße wird somit wiederbelebt. Nicht umsonst sind seit Mai 2018 die Zölle für Ein- und Ausfuhren ins östliche Nachbarland um 50 % reduziert worden. Hoffentlich profitiert die Bevölkerung vom Handel – aber ob das Geld überhaupt bei Ihnen ankommt in diesem planwirtschaftlichen System? Von den vergoldeten Statuen können sie sich nichts kaufen.

Mohnblumenfeld Pavot rouge red Poppy Mohn1 Turkmenistan

Das Land strahlt auf uns eine unglaubliche Weite aus: von Zäunen keine Spur. Alles ist offen, bis auf kleinere Höfe mitten in der Steppe. Wenn hier der langersehnte Regen fällt, wird auch die Wüste durch schier unendliche Mohnblumenfelder  wiederbelebt. So fahren wir weiter die Transitstrecke entlang Richtung Osten des Landes, immer die verbleibende Zeit für das Transitvisum im Nacken.

Mohnblumen Pavot Poppy Desert Wüste Karakum Turkmenistan Ashgabat Merw Mary Turkmenabad

  • Mohnblumen an der Transitstrecke

Vieles mag sich abschreckend anhören – z. B. dass wir stets von der Polizei entlang der Transitstrecke begleitet werden. Doch was die Natur angeht ist das Land mit Bergen, dem Kaspischen Meer, Wüste und ausgedehnten Mohnblumenfeldern unschlagbar – vielleicht sogar das Land Nr. 1 in Zentralasien was die Mohnblumen betrifft.

Richtung Usbekistan und Türkmenabat

Als wir von Mary Richtung zweitgrößte Stadt des Landes, Türkmenabat (auch Charjew genannt) weiterziehen, passieren wir den Karakum-Kanal. Unglaublich, mitten in der Wüste plötzlich wieder so viel Wasser zu sehen!

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  • der Karakum-Kanal

Nun befinden wir uns im entfernten Osten des zentralasiatischen Landes. Rechtzeitig im Rahmen des Transits geschafft, kann es nun weiter gehen. So sollen wir noch einmal einen großen Fluss überqueren: den Amudarja. Dieser fließt bis in den Aralsee – wenn er bei anhaltender Trockenheit nicht vorher in der Wüste versiegt. Der Osten des Landes wirkt wieder wasserreicher mit einigen Gewässern.

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Hinter dem Fluss Amudarja befindet sich noch ein kleines Stück Land, das zu Turkmenistan gehört. Jetzt passieren wir gleich die Grenze zu Usbekistan, einem Land von kulturell unschätzbarem Wert. Das Nachbarland wirkt schon ganz anders: hier kommen wir endlich wieder mehr mit Menschen in Kontakt, als wir die Seidenstraße weiter passieren…

Mehr zu den Markständen am Umschlagsplatz der Seidenstraße in der Fortsetung jetzt hierunter.

Über Turkmenistan als Reiseland

Reisezeit: Es herrschen teils extreme Temperaturen im Sommer; die Monate April, Mai, Juni, November und Dezember für eine Reise am besten. Im Mai blühen teils viele Mohnblumen nach vereinzelten Regenfällen.

Das Land ist als Transitland bekannt. Ansonsten empfiehlt es sich spezielle, turkmenische Touranbieter / Touroperator für Turkmenistan zu kontaktieren. Auf der ITB 2018 in Berlin war z. B. Owadan Tourism mit der deutschen Seite http://www.owadan.net/de/home vertreten.

Transitvisum Turkmenistan: Visabestimmungen

Durchreisevisa gibt es für Transitreisende nur unter Nachweis der geplanten Weiterreise bereits beim Visumantrag. Als Nachweis dienen Visa für das Land, über das die Einreise nach Turkmenistan erfolgt, sowie für die endgültige Zieldestination. Ein Visums-Antragsteller ist zudem verpflichtet, einen formlosen Brief mit den folgenden Angaben zur Reiseroute an die Botschaft zu richten:

  • Ziel und Zweck der Reise
  • konkrete Visaanfrage, gewünschte Visumgültigkeit
  • gewünschte Bearbeitungszeit (regulär bis zu 15 Werktage, Express: bis 5 Werktage)
  • Land des Reisebeginns/ der Einreise
  • Ein- und Ausreiseorte an der turkmenischen Grenze
  • Visa zur Weiterreise in Zieldestination: Informationen zur Gültigkeit
  • das Visum kostet 35 Euro, im Eilverfahren 55 Euro

„Visa on arrival“ für deutsche Staatsbürger bei Ankunft am Flughafen Ashgabat

  • das benötigte Visum wird auch erst bei Einreise am Flughafen in Ashgabat ausgestellt – das Auswärtiges Amt rät aber explizit davon ab, falls notwendige Unterlagen fehlen sollten. Dies führt ggf. zu willkürlichem Festhalten.
  • vorher die aktuelle Sicherheitslage laut Auswärtigem Amt beachten – aktuelle Reisehinweise